Mit jedem Blatt ein gutes Resultat
PERSÖNLICHKEIT Claudia Martin wohnt seit ihrer Kindheit in Gossau. Hier ist sie glücklich: Mit der Stadt verbindet sie Heimatgefühl und Familie. Im Beruf, der Politik und als Mutter jongliert sie mehrere Bälle gleichzeitig und ist dankbar für alle Herausforderungen, die das Leben mit sich bringt.
Vanessa Mengel
vanessa.mengel@goz.ch
Gossauer Wochenzeitung „A“
Die weissen Wände der Wohnung strahlen hell. Die Wohnfläche ist weitläufig, alles ist gewissenhaft eingerichtet, das Konzept augenmerklich mit Bedacht gewählt. Dennoch hat die Wohnung auch eine persönliche Note: Bei genauerem Hinsehen entdeckt man hier und dort Spielsachen in einer Ecke, im Flur hängen mehrere Postkarten mit Zitaten. Darin geht es um Werte wie Toleranz oder auch Freundschaft. Bei aller Ordnung sieht man trotzdem: In der Wohnung von Claudia Martin, die aktuell für den freien Stadtratssitz in Gossau antretende SVP-Kandidatin, wird gelebt.
Tief in Gossau verwurzelt
Claudia Martin wohnt seit ihrem zweiten Lebensjahr in Gossau. Zusammen mit ihren Eltern und ihrem jüngeren Bruder zog sie 1980 von Rickenbach im Thurgau an die Bedastrasse. Martins Vater arbeitete damals als Leiter des Coop-Restaurants, ihre Mutter kümmerte sich zunächst um die Kinder und packte später auch wieder in der Gastronomie mit an. «Meine Eltern waren Zeit ihres Lebens in der Gastronomie tätig. Vor allem mein Vater kannte dadurch Gott und die Welt», sagt die 39-Jährige. Durch seinen Beruf arbeitete er auch am Wochenende. Als schlimm habe sie das aber nie empfunden. «Wenn er frei hatte, hat mein Vater viel mit uns unternommen.» Als gelernter Koch habe er auch zu Hause oft die Zubereitung der Mahlzeiten übernommen. Gemeinsame Essenszeiten, auch mit den Grosseltern, sind Claudia Martin in guter Erinnerung geblieben. «Essen hatte einen hohen Stellenwert bei uns.» An einen kulinarischen Moment mag sie sich noch ganz besonders erinnern. «Mein Vater hat mir als Primarschülerin gezeigt, wie man Mayonnaise macht. Ich sehe den Moment heute noch lebhaft vor mir.» Überhaupt sei sie in jungen Jahren ein «Papakind» gewesen. Als Kind habe sie ihm oft beim Kochen über die Schulter schauen dürfen. «Die Leidenschaft zum Kochen habe ich von ihm», sagt die Hobbyköchin. Als alleinerziehende Mutter kocht sie viel frisch und selbst. Auch Freunde lädt sie gerne zu sich nach Hause ein. «Kochen entspannt mich. Das ist kein Stress», erklärt sie. Heute lebt die gebürtige Thurgauerin mit ihrem zweieinhalbjährigen Sohn Nicolas nach wie vor gerne in Gossau. «Ich fühle mich mit der Stadt sehr verbunden», sagt sie. Martin schätzt die Landschaft und die gute Infrastruktur. «Von hier aus bin ich überall schnell.» Auch am Flughafen, denn Claudia Martin verreist gerne und so oft es geht. Die letzte Flugreise unternahm sie in den Süden, das erste Mal zusammen mit ihrem Sohn. Ein besonderer Moment für die Mutter. «Nicolas hat genauso viel Freude am Reisen wie ich», ist sich Martin sicher. «Er ist sehr neugierig und probiert gerne etwas aus.» Zusammen mit einem Kind erlebe man Ferien völlig neu und anders. «Und auf einmal baut man wieder Sandburgen am Strand», sagt Martin und lacht. Aus Gossau wegzuziehen sei also noch nie Thema gewesen. «Das ist meine Heimat. Hier ist meine Familie und mein Beruf, die Eckpfeiler meines Lebens.» Aber auch den Thurgau besucht sie noch häufiger. Ihre Grossmutter väterlicherseits lebt dort und sie ist gerne am Bodensee unterwegs. «Ich liebe das Wasser und Seen allgemein», sagt sie. Besondere Vorfreude spürt Martin auch auf die heute beginnende 75. Olma in St.Gallen. Denn der Thurgau ist dieses Jahr Gastkanton. «Das wird eine ganz besondere Olma für mich.»
Potenziale entfalten
Nach der Schule machte Martin eine Ausbildung zur Kauffrau in der Stadtverwaltung St.Gallen. Schnell jedoch merkte sie, dass sie keine Verwaltungsangestellte bleiben wollte. «Als ich klein war, wollte ich Kindergärtnerin werden», erklärt sie. Ihren ersten bezahlten Job hatte sie nämlich als Babysitterin im Quartier. «Ich habe Kinder schon immer gerne gehabt.» Der Wunsch, etwas Pädagogisches zu machen, sei nie abgeklungen. Also bildete sie sich noch während der Tätigkeit als Kauffrau in Pädagogik weiter. Martin begann noch zu Stadtverwaltungszeiten, an der kaufmännischen Berufsschule St.Gallen zu unterrichten. Dabei sei ihr stetig bewusster geworden, dass sie grosse Freude am Lehrerberuf habe. «Ich helfe jungen Menschen gerne, ihr komplettes Potenzial zu entfalten», sagt Martin. Eine verantwortungsvolle und erfüllende Aufgabe, wie sie findet. Sie ging also an die Fachhochschule, studierte in Luzern und St.Gallen und gab weiterhin Unterricht. Bis heute lehrt Martin am Kaufmännischen Berufs- und Weiterbildungszentrum St.Gallen die Fächer «Information, Kommunikation und Administration» und «Gesellschaft». Sie ist Lehrerin mit Leib und Seele und hat bisher Beruf, Politik und Privates immer gut unter einen Hut gebracht. «Ich könnte meine Lehrtätigkeit nie ganz aufgeben. Dazu mache ich es viel zu gerne.» Ihr Fachbereich sei extrem dynamisch und erfordere gerade im Zuge der Digitalisierung, dass sie sich immer weiterbilde. «Ich mag die Herausforderung und die fortschreitende Entwicklung.» Gerade erst kam sie von einer mehrtägigen Fortbildung zurück. «Ich will immer am Ball bleiben. Das ist mir sehr wichtig», sagt Martin. Aktuell arbeitet sie noch 50 Prozent. In der restlichen Zeit erfüllt sie ihr Amt als Kantonsrätin und kümmert sich um ihren Sohn. Die Geburt von Nicolas sei der schönste Lebensmoment für sie gewesen. «Das mag plakativ klingen, aber die Geburt deines Kindes berührt dich so sehr wie nichts vorher im Leben.» Und auf einmal habe man nicht mehr nur Verantwortung für sich, sondern vor allem für eine andere Person.
Das Leben hat einen Plan
Auch wenn Claudia Martin gerne strukturiert ist und Ziele in ihrem Leben hat, weiss sie, dass es oft anders kommen kann, als man es plant. Daher will sie flexibel und offen bleiben. «Wenn man jung ist, denkt man noch, man kann alles erreichen.» Aber dann zeige einem das Leben manchmal Grenzen auf. «Meine Oma hat immer gesagt, es ist noch kein Baum in den Himmel gewachsen», sagt Martin. Man könne also nicht immer alles erreichen, wovon man träume. Dennoch brauche man Ziele, um voranzukommen. Diese müssten aber bodenständig bleiben. Wichtig sei auch, nie aufzugeben. «Manchmal fällt man, aber dann muss man wieder aufstehen, es weiter versuchen oder neue Pläne machen.» Auch in ihrem Leben sei nicht alles nach Plan verlaufen. «Aber meine Erfahrungen gehören zu mir, machen mich zu dem, was ich bin.» Sie möchte keine davon missen. «Auch Niederlagen sind versteckte Erfolge, wenn wir daraus Erkenntnisse für unsere Zukunft ziehen.» Claudia Martin sieht das Leben als Lernprozess. Und in diesem sei es wichtig, auch mal abzuschalten und dem Alltag zu entfliehen. Das schaffe sie vor allem in der Natur bei Spaziergängen oder aber beim Jassen. «Meine Oma hat früher mit uns gejasst. Von ihr habe ich die Passion», erklärt Martin. Für eine Partie Partnerschieber sagt sie bis heute nicht nein. Ihr bestes Jasserlebnis hatte sie als Gast im Schweizer TV bei der «Samschtigsjass» mit Monika Fasnacht. Vom Jassen kann sie auch Parallelen zum Leben ziehen: «Ob im Spiel oder im Leben, versuche ich auch mit einem schlechteren Blatt ein gutes Resultat zu erzielen.» Ein weiteres ihrer Hobbies, ist das Sammeln von alten Ansichtskarten aus Gossau. Dazu besucht sie öfter Floh- und Antik-Märkte. «Ich besitze mehrere Karten, die über 100 Jahre alt sind.» Aber so richtig glücklich wird sie, wenn sie Zeit mit der Familie verbringen kann. «Mein liebster Tag ist Sonntag, denn da erleben wir die meiste Familienzeit und ich gönne mir eine Pause», sagt Martin.